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Die
Postkartenproduktion der N.P.G.
1894 begann die Neue
Photographische Gesellschaft (N.P.G.) in Berlin-
Schöneberg mit der Verarbeitung von Bromsilbergelatine-Entwicklungspapieren.
Das Fotopapier war seit 1880 auf dem Markt und damit längst
bekannt, aber erst die N.P.G. entwickelte unter der Bezeichnung „Kilometer-
Photographie” ein Verfahren, es für die Massenanfertigung zu nutzen. Dies
hatte innerhalb kürzester Zeit immense Folgen für das gesamte Fotografiegewerbe.
Als wichtige Quellen, um diese schnelle Entwicklung im Monats-manchmal
sogar im Wochenrhythmus nachvollziehen zu können, erwiesen sich
zeitgenössische Fotozeitschriften. Um 1900 gab es ca. 22 deutschsprachige
Magazine, die sich entweder an Berufsfotografen oder an Fotoamateure richteten
und sich mehr oder weniger lang auf dem Markt halten konnten. Durch ihr
periodisches Erscheinen, zwischen zweimal wöchentlich und einmal monatlich,
lassen sich die Einführungen neuer Produkte und die Reaktionen darauf gut
datieren. Der Direktor der N.P.G., Arthur Schwarz, nutzte diese Zeitschriften
auch ganz gezielt, um über das neue Verfahren der „Kilometer-Photographie”
und dessen Einsatzmöglichkeiten zu berichten. In den Zeitschriften finden
sich Abdrucke von Vorträgen, die Schwarz bei verschiedenen Fotovereinen
hielt und die Beschreibung einer Firmenbesichtigung der N.P.G., zum Teil
werden diese Artikel sogar von Abbildungen der Maschinen begleitet.1 So lässt
sich der Produktionsablauf der Kilometer-Photographie folgendermaßen
rekonstruieren: Am Anfang des Prozesses stand die „Gelatiniermaschine”, in
der als erster Schritt eine Endlosrolle Rohpapier gleichmäßig mit
Bromsilbergelatine
überzogen wurde. Anschließend erfolgte die Belichtung des
hochempfindlichen Papiers in der Dunkelkammer. Hier wurde das Endlospapier
in eine „Belichtungsmaschine” eingeführt. Bereits voll automatisiert, stoppte
das Papier in regelmäßigen Abständen, der mit mehreren Glasnegativen
bestückte Kopierrahmen senkte sich, elektrische Lampen gingen an und die
Belichtung erfolgte. Mit diesem Verfahren wurde alle zwei bis vier Sekunden
ein halber Meter Papier mit 20 Negativen belichtet. Anschließend durchlief
die Papierrolle noch eine Reihe von Bädern mit Entwickler, Säure, Natron,
Alaun und Wasser und wurde dann getrocknet. Bei einem damals üblichen
Arbeitstag von zehn Stunden verarbeitete die N.P.G. auf diese Weise 1000 Meter
Bromsilberpapier - namens gebend für die Kilometer-Photographie - bzw.
produzierte 40.000 Bilder.
1Vortrag am 7.5.1895
in einer Plenarversammlung der Wiener Photographischen Gesellschaft.
Photographische Correspondenz 32 (1895), S. 318f. – Bereits im Januar des Jahres
war im Verein
zur Pflege der Photographie und verwandten Künste zu Frankfurt a. M. eine
Mitteilung der N.P.G.
verlesen worden, in der die Kilometer-Photographie im Einzelnen erläutert wurde.
Ebenda, S.
198f. – Außerdem veröffentlichte die Photographische Correspondenz einen am
6.3.1896 über dieses
Thema gehaltenen Vortrag vor dem Niederösterreichischen Gewerbeverein. Die
beschriebenen
Maschinen sind mit abgebildet. Ebenda 33 (1896), S. 411f. – Anlässlich der 29.
Wanderversammlung
in Berlin besichtigten die Teilnehmer unter Führung von Arthur Schwarz die
Produktionsräume
der N.P.G. Ein ausführlicher Bericht darüber erschien in der Deutschen
Photographen-Zeitung
24 (1900), S. 655f.
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Vita:
Karin
Walter. Studium der Kunstgeschichte, Volkskunde, Soziologie in Würzburg
und Wien. Promotion 1994 (Postkarte und Fotografie. Studien zur Massenbild-
Produktion. [=Veröffentlichungen zur Volkskunde und Kulturgeschichte 56]
Würzburg 1995). Wissenschaftliche Mitarbeiterin an verschiedenen Museen
(u. a. Altonaer Museum in Hamburg, Museum für Kommunikation Hamburg);
Museumsleiterin Küstenmuseum Wilhelmshaven; seit 2008 Kuratorin am Focke-
Museum, Bremen. Ausstellungen und Katalogbeiträge u. a. zu den Themen
Postkarte, Fotografie, maritime Kommunikation, Tracht, ethnologische Souvenirs,
Erdöl, frühe Besiedlung der Nordseeküste.
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